Nach dem „Salzpfad“ und der „Wilden Stille“ ist im Oktober letzten Jahres das dritte Buch von Raynor Winn mit dem Titel „Überland“ im DuMont Verlag erschienen. Ich war schon von den ersten beiden Büchern fasziniert und so habe ich nun auch den dritten Band durchgelesen. Raynor und Moth zieht es wieder raus auf die Straße. Bei der Erkrankung von Moth ist der körperliche „Stillstand“ kontraproduktiv. Wie wird es ihm diesmal ergehen? Bevor sie dieses Buch lesen, sollten sie unbedingt erst die anderen beiden Titel zur Hand nehmen. Meine Gedanken zu den ersten beiden Bänden finden sie unter den folgenden Links: „Der Salzpfad“ und „Wilde Stille“.
The english version of the text can be found below.
Klappentext:
Die Geschichte von Raynor und Moth geht weiter: Nachdem sie Haus und Hof verloren hatten und den über 1000 Kilometer langen South West Coast Path gewandert waren, fanden sie in einer Farm in Wales eine neue Heimat. Moths Gesundheit stabilisierte sich, die Farm zu neuem Leben zu erwecken, war Herausforderung und Glück zugleich. Doch Stillstand ist keine Option für die beiden und so brechen sie erneut zu einer großen Wanderung auf, die sie erst durch das schottische Hochland und dann durch die schönsten und wildesten Landstriche Englands führt. Die Umstände sind andere als vor ein paar Jahren, doch die Fragen an das Leben, Raynors Glaube an die heilende Wirkung der Natur und die Liebe zwischen ihr und Moth sind geblieben. Ein Buch, das Mut macht!
Wie auch schon im ersten Band, braucht es hier vom Leser eine entsprechende Portion Empathie. Es geht in erster Linie nicht um eine Reisedokumentation mit Ortsbeschreibungen, Erfahrungsberichten, Adressen und Tipps. Vielmehr geht es hier um das Leben von Raynor und Moth.
In „Überland“ setzen Raynor und Moth ihre Wanderung fort und begeben sich auf den Cape Wrath Trail, einen anspruchsvollen 1600 Kilometer langen Weg durch Schottland. Auf ihrem Weg begegnen sie wilden Tieren, extremen Wetterbedingungen und Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Unterkünften.
Das Buch beschreibt nicht nur die körperliche Anstrengung, die es braucht, um einen solchen Weg zu bewältigen, sondern auch die emotionalen Herausforderungen, die damit einhergehen. Raynor und Moth kämpfen nicht nur mit den Schwierigkeiten des Weges, sondern auch mit ihrer eigenen Vergangenheit und der Unsicherheit ihrer Zukunft. Sie versuchen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, aber es ist schwer, das zu tun, wenn man nicht weiß, was die Zukunft bringt.
Raynor Winn beschreibt die Schönheit und Wildheit Schottlands auf eine Weise, die mich als Leser mitten ins Geschehen zieht. Man kann sich die Wälder, Berge, Moore und Seen förmlich vorstellen und spüren, wie sich die Luft um einen herumbewegt. Man fühlt sich, als würde man selbst den Weg entlanglaufen und all die Wunder entdecken, die Schottland zu bieten hat. Sie beschreibt, wie sie lernen, die Welt um sich herum zu schätzen und zu respektieren, und wie wichtig es ist, die Natur zu schützen.
Was das Buch jedoch wirklich auszeichnet, ist die Tiefe der Emotionen, die Raynor in ihre Worte legt. Sie beschreibt nicht nur die körperliche Anstrengung, sondern auch die seelischen Herausforderungen, die mit dem Wandern einhergehen. Raynor und Moth sind immer noch dabei, sich von den Ereignissen zu erholen, die sie in „Salzpfad“ erlebt haben, und sie müssen sich jetzt auch mit den ungewissen Aussichten auf ihre Zukunft auseinandersetzen. Raynor schreibt auf eine Art und Weise, die den Leser in ihre Gedanken und Gefühle eintauchen lässt und man fühlt sich mit ihr und Moth verbunden. Raynor und Moth begegnen auf ihrer Reise vielen Menschen, die ihnen helfen und Unterstützung bieten. Die Gemeinschaft und das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das sie erfahren, gibt ihnen die Kraft, weiterzumachen. Es erinnert uns daran, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein und einander zu helfen, insbesondere in schwierigen Zeiten.
Raynor Winn schreibt mit einer unglaublichen Sensibilität und Ehrlichkeit über ihre eigenen Ängste, Zweifel und Traumata. Sie zeigt, wie wichtig es ist, sich seinen inneren Dämonen zu stellen und sich selbst zu akzeptieren, um wieder aufzubauen und weiterzumachen. Winn schreibt mit einer eindringlichen, aber auch poetischen Sprache. Ihre Worte fließen wie Wasser, sie sind schön und inspirierend. Sie schafft es, den Leser zu bewegen und ihn dazu zu bringen, über sein eigenes Leben nachzudenken.
Obwohl es keine direkten politischen Aussagen gibt, gibt es jedoch einige Passagen, in denen Raynor auf die Auswirkungen der modernen Gesellschaft auf die Natur und das menschliche Leben eingeht. Sie zeigt, wie wir uns von der Natur entfremdet haben und wie wir uns oft auf unnatürliche Weise mit der Welt um uns herum verbinden. Durch ihre Betonung der Schönheit und der Kraft der Natur zeigt Raynor, dass es wichtig ist, sich wieder mit der Natur zu verbinden und sie zu respektieren. In einer Zeit, in der der Klimawandel und andere Umweltprobleme immer akuter werden, kann dies als eine indirekte politische Aussage verstanden werden. Häufig beschreibt Raynor Winn auch die Folgen des „Brexit“ und wie die Bevölkerung dazu steht.
Insgesamt ist „Überland“ von Raynor Winn ein beeindruckendes Buch. Es erzählt eine Geschichte, die den Leser in den Bann zieht und ihm zeigt, wie wichtig es ist, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist. Die Charaktere sind gut entwickelt, die Sprache ist wunderschön und die Landschaften sind atemberaubend. Wenn Sie nach einem Buch suchen, das Sie bewegt und inspiriert, dann ist „Überland“ eine klare Empfehlung.
Nach dem Lesen des zweiten Bandes habe ich mich mit Moth Diagnose „CBD“ beschäftigt. Dies will ich hier dem Leser noch mal näherbringen. Zur Erklärung: eine kortikobasale (oder corticobasale) Degeneration (CBD) ist eine langsam fortschreitende neurodegenerative Erkrankung mit Ansammlung hyperphosphorylierten Tau-Proteins im Gehirn (Tauopathie). Hauptsymptome sind Parkinson-Symptome und Nachlassen der kognitiven Fähigkeiten. Von der Erstdiagnose bis zum Tod vergehen zwischen 1 bis 10 Jahre. Ich würde alles versuchen, so wie es auch Raynor tut. Die Hoffnung nicht verlieren, kämpfen bis zum Schluss und dabei das Leben nicht vergessen.
Beenden möchte ich meine Rezension mit einem kurzen Abschnitt aus dem Buch:
Moth lehnt sich an die Steinmauer einer Ruine. Er scheint in die Betrachtung der Dämmerung versunken, aber eigentlich ist er ganz woanders; seine Gedanken sind jenseits des Horizonts.
»Alles in Ordnung? Was geht dir im Kopf herum? Sollen wir zusehen, dass wir ein bisschen Schlaf bekommen? Ich weiß nicht, wie es dir geht, ich bin jedenfalls fix und fertig.«
»Ich auch, aber mir ist in letzter Zeit klar geworden, dass ich Momente wie diesen nicht verpassen darf, egal wie müde ich bin. Ich muss versuchen, jeden Moment festzuhalten.«
»Aber wenn du zu müde bist, wird dir das nicht gelingen, dann verschläfst du doch die ganzen Momente.« Während ich rede, muss ich daran denken, wie er in Cornwall, bevor wir zu unserer Wanderung aufgebrochen sind, ständig geschlafen hat. Die Tage verschwanden in einem Nebel der Erschöpfung und der ärztlichen Warnung, Anstrengungen zu vermeiden. Es hat ihn eine ungeheure Willenskraft gekostet, bis er da war, wo wir jetzt sind; ich habe Angst, dass jede weitere Stunde körperlicher Anstrengung oder auch nur der Wind aus der falschen Richtung genügen könnte, um ihn wieder zum Ausgangspunkt oder noch weiter zurück zu katapultieren.
»Dasselbe habe ich vermutlich auch schon vor unserem Aufbruch gesagt, aber diese Reise hat mich etwas Grundsätzliches gelehrt – über das Leben, den Tod und das, was dazwischen ist. Es geht nicht darum, wie lange es dauert, es geht um den Wert eines jeden Augenblicks. Das ist wie bei deiner Pilzsuppe.«
aus „Überland“ von Raynor Winn erschienen im Dumont Verlag (Seite 192)
Überland – Raynor Winn (DuMont Welt – Menschen – Reisen)
- Herausgeber: DUMONT REISEVERLAG; 1. Auflage, Neuerscheinung (15. Oktober 2022)
- Sprache: Deutsch
- Broschiert: 352 Seiten
- ISBN-10: 3616031559
- ISBN-13: 978-3616031552
- Originaltitel: Landlines
- Abmessungen: 13.2 x 3 x 20.7 cm
- Link zu Amazon
Informationen zum Autor:
Seitdem Raynor Winn, geboren 1962, den kompletten South West Coast Path gelaufen ist, unternimmt sie regelmäßig Fernwanderungen und schreibt über Natur und Wildcampen. Sie lebt derzeit mit Ehemann Moth und Hund Monty in Cornwall. »Der Salzpfad« ist ihr erstes Buch und wurde in England in kürzester Zeit zum euphorisch gefeierten Sunday-Times-Bestseller und landete auf der Shortlist des Costa Award und des Edward Stanford Travelwriting Award.
https://twitter.com/raynor_winn?lang=de
Informationen zum Cape Wrath Trail :
Informationen über den Cape Wrath Trail gibt es z.B. bei Wikipedia. Oder Sie schauen direkt auf der Seite der Walkhighlands. Eine deutsche Seite finden sie bei Trecking Berserker unter http://trekking-berserker.de/schottland/cape-wrath-trail/
Wer den „South West Coast Path“ begehen möchte, findet unter anderem auf der Seite von Kathrin Heckmann „Fräulein Draussen“ viele interessante Hinweise und Ratschläge.
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Das Buch wurde von uns vom Verlag zur Verfügung gestellt. Die Rezensionen spiegelt meine/ unsere eigene Meinung zu dem Buch wieder. Wenn mir was nicht gefallen sollte, so schreibe ich dies auch nieder. Die Fotos stammen aus meiner Kamera. Für das Beitragsbild habe ich ein Foto Foto von EMARDI auf Unsplash mit eingearbeitet. Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehme ich keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.
Welcome on my blog
After „Salt Path“ and „Wild Silence“, the third book by Raynor Winn entitled „Overland“ was published by DuMont Verlag in October last year. I was already fascinated by the first two books and so I have now also read through the third volume. Raynor and Moth are drawn back out onto the road. With Moth’s illness, the physical „standstill“ is counterproductive. How will he fare this time? Before reading this book, be sure to pick up the other two titles first. You can find my thoughts on the first two volumes at the following links: ‚The Salt Path‘ and ‚Wild Silence‘.
Blurb:
The story of Raynor and Moth continues: after losing their home and farm and walking the 1000 kilometre South West Coast Path, they found a new home on a farm in Wales. Moth’s health stabilised, and bringing the farm back to life was both a challenge and a stroke of luck. But standing still is not an option for the two of them and so they set off again on a great hike that takes them first through the Scottish Highlands and then through the most beautiful and wild parts of England. The circumstances are different from a few years ago, but the questions about life, Raynor’s belief in the healing power of nature and the love between her and Moth remain. A book that inspires courage!
As in the first volume, an appropriate amount of empathy is needed from the reader. It is not primarily a travel documentary with descriptions of places, reports of experiences, addresses and tips. Rather, it is about the lives of Raynor and Moth.
In „Overland“, Raynor and Moth continue their walk and set off on the Cape Wrath Trail, a demanding 1200-kilometre path through Scotland. Along the way they encounter wild animals, extreme weather conditions and difficulties in obtaining food and shelter.
The book describes not only the physical effort it takes to complete such a trail, but also the emotional challenges that come with it. Raynor and Moth struggle not only with the difficulties of the trail, but also with their own past and the uncertainty of their future. They try to focus on the here and now, but it’s hard to do that when you don’t know what the future holds.
Raynor Winn describes the beauty and wildness of Scotland in a way that draws me as a reader right into the action. You can literally imagine the forests, mountains, moors and lochs and feel the air moving around you. You feel as if you are walking along the path yourself, discovering all the wonders Scotland has to offer. She describes how they learn to appreciate and respect the world around them and how important it is to protect nature.
What really sets the book apart, however, is the depth of emotion Raynor puts into her words. She describes not only the physical exertion, but also the mental challenges that come with hiking. Raynor and Moth are still recovering from the events they experienced in „Salt Trail“, and they now also have to deal with the uncertain prospects of their future. Raynor writes in a way that immerses the reader in her thoughts and feelings and you feel connected to her and Moth. Raynor and Moth meet many people on their journey who help and support them. The community and sense of belonging they experience gives them the strength to carry on. It reminds us how important it is to be there for each other and to help each other, especially in difficult times.
Raynor Winn writes with incredible sensitivity and honesty about her own fears, doubts and traumas. She shows how important it is to face your inner demons and accept yourself in order to rebuild and move on. Winn writes with a haunting yet poetic language. Her words flow like water, they are beautiful and inspiring. She manages to move the reader and make them think about their own lives.
Although there are no direct political statements, there are, however, some passages in which Raynor addresses the impact of modern society on nature and human life. She shows how we have become alienated from nature and how we often connect with the world around us in unnatural ways. Through her emphasis on the beauty and power of nature, Raynor shows that it is important to reconnect with and respect nature. At a time when climate change and other environmental issues are becoming more acute, this can be seen as an indirect political statement. Raynor Winn also frequently describes the consequences of „Brexit“ and how the population feels about it.
Overall, „Overland“ by Raynor Winn is an impressive book. It tells a story that captivates the reader and shows him how important it is to focus on what is really important. The characters are well developed, the language is beautiful and the landscapes are stunning. If you are looking for a book that will move and inspire you, Overland is a definite recommendation.
After reading the second volume, I got involved with Moth’s diagnosis of „CBD“. This is what I want to introduce the reader to again here. To explain: corticobasal (or corticobasal) degeneration (CBD) is a slowly progressive neurodegenerative disease with accumulation of hyperphosphorylated tau protein in the brain (tauopathy). The main symptoms are symptoms of Parkinson’s disease and a decline in cognitive abilities. It takes between 1 to 10 years from initial diagnosis to death. I would try everything, just as Raynor does. Don’t lose hope, fight to the end and don’t forget to live.
I would like to end my review with a short passage from the book:
Moth leans against the stone wall of a ruin. He seems absorbed in contemplating the twilight, but he is actually somewhere else entirely; his thoughts are beyond the horizon.
„Are you all right? What’s on your mind? Shall we see about getting some sleep? I don’t know about you, anyway I’m exhausted.“
„Me too, but I’ve realised lately that I can’t miss moments like this, no matter how tired I am. I have to try and hold on to every moment.“
„But if you’re too tired, you won’t be able to do that, you’ll sleep through all those moments.“ As I talk, I can’t help but think of how in Cornwall, before we set off on our walk, he slept all the time. The days disappeared in a fog of exhaustion and doctor’s warnings to avoid exertion. It took him a tremendous amount of willpower to get to where we are now; I’m afraid that any extra hour of physical exertion, or even just the wind from the wrong direction, might be enough to catapult him back to where we started, or even further back.
„I probably said the same thing before we set out, but this trip has taught me something fundamental – about life, death and what’s in between. It’s not about how long it takes, it’s about the value of every moment. It’s like your mushroom soup.“from „Overland“ by Raynor Winn published by Dumont (page 192)
Information about the author:
Since Raynor Winn, born in 1962, has walked the entire South West Coast Path, she has regularly undertaken long-distance hikes and written about nature and wild camping. She currently lives in Cornwall with husband Moth and dog Monty. „The Salt Trail“ is her first book and quickly became the euphorically acclaimed Sunday Times bestseller in England and was shortlisted for the Costa Award and the Edward Stanford Travelwriting Award.
https://twitter.com/raynor_winn?lang=de
Information about the Cape Wrath Trail :
Information about the Cape Wrath Trail can be found, for example, on Wikipedia. Or you can look directly at the Walkhighlands page. A German page can be found at Trecking Berserker at http://trekking-berserker.de/schottland/cape-wrath-trail/.
If you want to walk the „South West Coast Path“, you will find many interesting hints and advice on Kathrin Heckmann’s page „Fräulein Draussen“.
There is also a book recommendation on the subject of „wild camping“ with the title:
Wild Camping: Exploring and Sleeping in the Wilds of the UK and Ireland.